Am 9. Mai 2025 entschied das Landgericht Dessau über einen Fall, der als kleiner, aber wichtiger Meilenstein für die Energiewende angesehen werden könnte: Sonnenstrom für tausende Kleingärtnerinnen und Kleingärtner.
Der Ursprung:
Ein Pächter hatte in seinem Kleingarten ein Steckersolargerät installiert, das über eine einfache Steckdose Strom ins Hausnetz einspeiste. Der zuständige Kleingartenverein sah dies jedoch als Indiz dafür, dass das Gartenhaus bewohnt werde, was gemäß dem Bundeskleingartengesetz (BKleingG) strikt untersagt ist. Die Konsequenz? Die Kündigung des Pachtvertrags.
Das Urteil:
Das Landgericht Dessau wies die Kündigung des Pachtvertrags zurück. Die Begründung: Allein die Nutzung eines Balkonkraftwerks beweise nicht, dass eine unerlaubte Wohnnutzung vorliegt. Das Gericht stellte klar, dass moderne, umweltfreundliche Stromerzeugungssysteme wie Solaranlagen in Kleingärten keinesfalls im Widerspruch zum Kleingartenrecht stehen. Im Zusammenhang mit dieser Entscheidung betonte das Gericht auch, dass die Nutzung von Photovoltaikanlagen keine schädlichen Auswirkungen auf den spezifischen Charakter von Kleingärten habe und daher nicht gegen das Bundeskleingartengesetz verstoße.
Die Bedeutung des Urteils:
Das Urteil ebnet den Weg für den Einzug kleiner Solaranlagen in Schrebergärten, was das enorme Potenzial für dezentral erzeugten, sauberen Strom in städtischen Gebieten erschließt. Der Entscheid könnte als Präzedenzfall dienen und damit den Weg für tausende Balkonkraftwerke in Kleingartenanlagen deutschlandweit öffnen. Zudem könnte das Urteil nicht nur für Kleingärten, sondern auch für Wohnungseigentümergemeinschaften und Mietverhältnisse Auswirkungen haben. Hier könnte es das Potenzial bieten, die Nutzung von Solarenergie noch weiter zu fördern, indem es ähnliche Fälle in städtischen Wohnanlagen positiv beeinflusst.
Gesetzgeberische Entwicklungen und gesetzliche Regelung:
Im Rahmen der Entscheidung des Landgerichts Dessau und der breiten Diskussion um die Nutzung von Photovoltaikanlagen in Kleingärten gibt es auch Bestrebungen, diese Nutzung auf gesetzlicher Ebene klarer zu regeln. Die Idee ist, den Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern eine rechtssichere Möglichkeit zu bieten, Solaranlagen zu installieren, ohne befürchten zu müssen, dass ihre Gartenlauben dadurch als “Wochenendhäuser” betrachtet werden, was mit einer Änderung der Pachtverhältnisse und dem Verlust von Kündigungsschutz und Pachtzinsbegrenzung verbunden wäre.
- Der Vorschlag des Bundesrates:
Der Bundesrat hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Ergänzung des Bundeskleingartengesetzes (§ 3 Absatz 2) vorsieht, die es explizit ermöglichen würde, kleine Photovoltaikanlagen (bis 800 Watt) in Kleingartenanlagen zu betreiben. Diese Regelung hat den Vorteil, dass sie eine klare Grenze für die erlaubte Leistung von Solaranlagen setzt, was die Unsicherheit für Kleingärtner verringert. Die vorgeschlagene Änderung besagt, dass diese kleinen Photovoltaikanlagen nicht als Indiz für eine „Wohnnutzung“ der Laube interpretiert werden dürfen, was im bestehenden Gesetz bisher ein Problem darstellte. Die neuen Regeln würden damit den Weg für den massenhaften Einsatz von Balkonkraftwerken in städtischen Kleingärten ebnen, ohne den Verlust von Pachtvorteilen zu riskieren. Ziel dieser Gesetzesänderung ist es, die Nutzung von Solarstrom zu fördern und gleichzeitig zu verhindern, dass Kleingartenanlagen durch Solaranlagen in ihren rechtlichen Status als „Garten“ verändert werden. Kleingärten sollten weiterhin als Orte der Erholung und des gärtnerischen Anbaus erhalten bleiben, während gleichzeitig die Möglichkeit zur umweltfreundlichen Energiegewinnung gewährleistet wird.
- Stellungnahme der Bundesregierung:
Die Bundesregierung hat diese Gesetzesänderung abgelehnt. In ihrer Stellungnahme argumentiert sie, dass die Nutzung von Photovoltaikanlagen auf Kleingartenparzellen bereits durch die bestehenden Regelungen gedeckt sei. Nach Ansicht der Regierung sei es zulässig, kleine Solaranlagen zur Erzeugung von Arbeitsstrom zu installieren, ohne dass eine Änderung des Bundeskleingartengesetzes erforderlich sei. Dabei verweist die Bundesregierung auf die bestehende Möglichkeit, Photovoltaikanlagen zur Erzeugung von Arbeitsstrom zu verwenden, ohne dass dadurch der Status der Gartenlaube als solche gefährdet wird. Arbeitsstrom bedeutet in diesem Kontext, dass der erzeugte Strom ausschließlich für den Betrieb von Gartengeräten, Beleuchtung oder ähnlichen Zwecken genutzt wird und nicht in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Diese Nutzung entspricht den Anforderungen des Kleingartengesetzes, das eine derartige Nutzung nicht verbietet. Zudem betont die Bundesregierung, dass die Kleingartenanlagen nicht in „Wochenendhäuser“ umgewandelt werden sollen, um Missbrauch zu verhindern. Hier könnte eine detailliertere Regelung für größere Solaranlagen oder Gemeinschaftsanlagen problematisch sein. Beispielsweise gibt es bereits Konzepte, bei denen Kleingartenvereine Solaranlagen auf den Dächern der Gartenlauben installieren und den erzeugten Strom allen Mitgliedern des Vereins zur Verfügung stellen. Solche größeren Anlagen könnten unter der vorgeschlagenen Gesetzesänderung schwieriger realisierbar sein, da die Obergrenze von 800 Watt für eine einzelne Anlage die Flexibilität bei größeren Gemeinschaftsprojekten einschränken könnte.
- Kritik und Unsicherheiten:
Einige Experten und Verbände, wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH), kritisieren die Haltung der Bundesregierung. Sie argumentieren, dass die aktuellen Regelungen nicht ausreichen, um die dezentral erzeugte Solarenergie im Rahmen der Energiewende vollständig zu integrieren. Insbesondere der Ausbau von Balkonkraftwerken in städtischen Gebieten könnte einen erheblichen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten. Ein klar definierter gesetzlicher Rahmen würde den Kleingärtnern mehr Sicherheit geben und die Hemmnisse für die Installation von Solaranlagen weiter abbauen.
Darüber hinaus gibt es die Befürchtung, dass die 800-Watt-Grenze den Fortschritt hin zu größeren, gemeinschaftlich genutzten Solaranlagen behindern könnte. Insbesondere bei größeren Gartenanlagen, in denen mehrere Kleingärtner von einer gemeinsamen Solaranlage profitieren könnten, könnte eine solch strikte Obergrenze das Potenzial für kostengünstige, nachhaltige Energieproduktion einschränken.
Fazit:
Das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau stärkt das Recht von Kleingärtnern auf die Nutzung von Balkonkraftwerken und senkt rechtliche Hürden für Solaranlagen in Kleingartenanlagen. Es sendet ein klares Signal zugunsten der Energiewende im urbanen Raum. Eine gesetzliche Regelung steht noch aus, doch der politische Druck wächst – insbesondere durch den Vorschlag des Bundesrates, PV-Anlagen bis 800 Watt ausdrücklich zuzulassen. Sollte der Gesetzgeber handeln, könnte dies die dezentrale Nutzung von Solarenergie in Städten entscheidend voranbringen.



