Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hat kürzlich für Aufsehen in der Photovoltaikbranche gesorgt. In dem Urteil vom 18. März 2022 (V ZR 269/20) hat der BGH entschieden, dass Freiland-Photovoltaikanlagen grundsätzlich keine Gebäude im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind.
Der Fall drehte sich um den Eigentumsanspruch an einer Freiland-Photovoltaikanlage, die aus einer gerüstähnlichen Aufständerung aus Stangen oder Schienen sowie Photovoltaikmodulen bestand. Der Insolvenzverwalter der Anlage behauptete, dass die Module und die Unterkonstruktion wesentliche Bestandteile der Photovoltaikanlage seien und daher nicht gesondert übertragen werden könnten. Das Landgericht wies die Klage ab, aber das Oberlandesgericht gab ihr statt. Schließlich landete der Fall vor dem BGH, der das Urteil des Oberlandesgerichts aufhob und zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwies.
Der BGH kam zu dem Schluss, dass die Photovoltaikanlage keine Gebäude im Sinne des BGB darstellt. Gebäude im rechtlichen Sinne setzen in der Regel klassische Baustoffe voraus, die zu einem festen und nicht ohne weiteres zerlegbaren Bauwerk verbunden sind. Die Freiland-Photovoltaikanlage hingegen besteht aus modulartigen Elementen, die mit Schrauben, Klemmen oder ähnlichen Verbindungselementen zusammengefügt werden. Sie kann ohne wesentliche Beschädigung abgebaut, in Einzelteile zerlegt und an anderer Stelle wieder aufgestellt werden, ohne ihre Funktionalität zu verlieren. Damit erfüllt sie nicht die Voraussetzungen eines Gebäudes nach § 94 BGB.
Die Entscheidung des BGH hat erhebliche Auswirkungen auf den Photovoltaikmarkt. Durch die Einstufung von Freiland-Photovoltaikanlagen als nicht-geschützte Bestandteile von Immobilien können die Module und die Unterkonstruktion gesondert von der Anlage übertragen werden. Dies ermöglicht eine flexiblere Veräußerung und Nutzung der Anlagenkomponenten.
Darüber hinaus hat der BGH klargestellt, dass die einzelnen Module keine Scheinbestandteile der Gesamtanlage sind. Nach § 93 BGB können wesentliche Bestandteile einer Sache nur solche sein, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere Teil zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Die einzelnen Module können jedoch ohne Wertverlust oder wesentliche Beschädigung abgetrennt und in andere Anlagen integriert werden, um dort Strom zu erzeugen. Daher sind sie keine wesentlichen Bestandteile der Photovoltaikanlage.
Für die Betroffenen, insbesondere Insolvenzverwalter, ist diese Entscheidung des BGH von großer Bedeutung. Sie ermöglicht eine klarere rechtliche Zuordnung der Bestandteile von Freiland-Photovoltaikanlagen und schafft Rechtssicherheit für den Handel und die Nutzung dieser Anlagen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich das Urteil des BGH auf den Photovoltaikmarkt auswirken wird. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Entscheidung zu einer erhöhten Flexibilität bei der Veräußerung und Nutzung von Photovoltaikanlagen führen wird. Unternehmen und Investoren können die einzelnen Komponenten separater betrachten und gegebenenfalls gezielter handeln.
Insgesamt stellt das Urteil des BGH eine wichtige Klarstellung in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse von Freiland-Photovoltaikanlagen dar. Es verdeutlicht, dass die Module und die Unterkonstruktion keine wesentlichen Bestandteile der Anlage im Sinne des BGB sind und daher gesondert übertragen werden können. Diese Entscheidung schafft Rechtssicherheit und eröffnet neue Möglichkeiten für den Handel und die Nutzung von Photovoltaikanlagen.
Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung in Zukunft auf diese Fragestellung reagieren wird und ob weitere rechtliche Klärungen im Zusammenhang mit Freiland-Photovoltaikanlagen erforderlich sind. In jedem Fall zeigt das Urteil des BGH die Dynamik und die Herausforderungen auf, denen die Rechtsprechung in einer sich schnell entwickelnden Technologiebranche gegenübersteht.
Urteil des BGH vom 18.03.2022 – V ZR 269/20



